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KURZPORTRÄTS
19 Philosophen und Philosophinnen
im Kurzporträt
• Thales von Milet
• Sokrates
• Aristipp
• Diogenes von Sinope
• Platon
• Aristoteles
• Epikur
• Aurelius Augustinus
• René Descartes
• Baruch de Spinoza
• Immanuel Kant
• Karl Marx
• Sören Kierkegaard
• Arthur Schopenhauer
• Friedrich Nietzsche
• Lou Andreas-Salomé
• Günther Anders
• Hannah
Arendt
•
Simone de Beauvoir
Thales von Milet (ca.
624–546
v. Chr.)
der erste Philosoph
Thales ist als,erster Philosoph’ in die Philosophiegeschichte
eingegangen.
Er steht für die Wende vom mythischen Weltbild zur
logisch-vernünftigen Weltinterpretation. Da es lediglich
Fragmente von ihm gibt, gilt nur als sicher, dass er das
Wasser als den Urstoff ansetzte.
Er dürfte ein vielseitiger Mensch gewesen sein, hat
die Sonnenfinsternis von 585 v. Chr. richtig vorausgesagt,
war Mathematiker und Astronom; er dürfte auch kaufmännisch
und politisch tätig gewesen sein.
Thales ist vor allem berühmt durch die Anekdote, wonach
er, fasziniert von den Sternen, gen Himmel blickend in
einen Brunnen fiel – sodann wird er gleich ausgelacht.
Seither hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass
Philosophen weltfremd seien.
Sokrates (470 – 399
v. Chr.)
verhängnisvolle Gesprächskunst
Er ist das Urbild des Philosophen, eine schillernde
Gestalt zur Blütezeit im antiken Griechenland.
Da Sokrates aber nichts Schriftliches hinterlassen
hat, sind wir auf die Berichte anderer, vor allem seines
Schülers und vermutlich größten Fans,
Platon, angewiesen.
Sokrates liebte es Passanten am Marktplatz anzusprechen,
sie in Gespräche zu verwickeln und ihnen Schritt
für Schritt ihr Nichtwissen aufzuzeigen. Und so
erfüllte sich auch der Spruch des Orakels von
Delphi, welches weissagte, dass Sokrates der weiseste
Mensch sei. Sokrates aber sagte: „Ich weiß,
dass ich nichts weiß“, und letztlich stimmt
es wieder. Die anderen glauben etwas zu wissen, wissen
aber bei näherer Betrachtung nichts – Sokrates
weiß um sein Nichtwissen und ist deshalb fürwahr
der Weiseste.
Er gilt als ,geistiger Geburtshelfer’.
Durch seine Fragetechnik, die sokratische Methode (Mäeutik)
hilft er, die Wahrheiten, die in uns schlummern, hervorzubringen.
Er war auch überzeugt, dass Tugend lehrbar ist – die
Gespräche also einen Sinn haben.
Ein derart hinterfragender Mensch wurde aber den Mächtigen
unangenehm, und so wurde er wegen Gottlosigkeit und
Jugendverführung angeklagt und zum Tode verurteilt.
Sokrates wird so zum philosophischen Märtyrer
und bringt in seiner Verteidigungsrede noch einmal
seine hehre, dem Gewissen verpflichtete Haltung zum
Ausdruck.
Aristipp (435–366
v. Chr.)
der Lust betonte
Der Vater des Hedonismus –
jener Lehre, die besagt, dass es im Leben einzig um
die Lust geht (griechisch: hedone = Lust).
Er sticht insofern unter den Philosophen hervor, als
sonst fast alle anderen zu dem Schluss kommen, dass
das Geistige, das Denken, Reflektieren und Philosophieren
dem Wesen des Menschen entspricht, ja ihn zur Vollkommenheit
führt. Alles Körperliche gilt demnach als
problematisch bis verwerflich.
Nicht so bei Aristipp: Ihm geht es um eine besonnene
Befriedigung der körperlichen Lust.
„Herr der Lust ist nicht, wer sich ihrer enthält,
sondern wer sich ihrer zu bedienen weiß, ohne
sich von ihr fortreißen zu lassen.“
Diogenes von Sinope (ca.
400–323 v. Chr.)
der Provokateur
Eine der populärsten Gestalten der antiken Philosophie.
Er zählt zu den Kynikern (gr.: kyon = Hund) und
war auch sehr zynisch und bissig.
Das Ideal der Kyniker war die Bedürfnislosigkeit,
der Verzicht auf die materiellen Dinge. Das Fass, in
dem er hauste, war vermutlich kein Fass, sondern eine
geräumige Amphore.
Er war der Provokateur par excellence und wollte mit
seinen Provokationen die Mitmenschen zum Nachdenken
anregen.
Er verwendete angeblich auch als Erster das Wort ,cosmopolites’ (Weltbürger).
Auf die Frage, woher er stamme, antwortete er, er sei
Kosmopolit – Bürger der Welt. Dadurch wollte
er sich in seiner gewohnt zynisch–polemischen
Art über die engstirnig-kleinräumigen Streitereien
der griechischen Stadtstaaten erheben und sein Desinteresse
am politischen Alltag bekunden. Die Kyniker stellten überhaupt
alle Traditionen und althergebrachten Werte stark in
Frage.
Als angeblich einmal Alexander der Große auf
Diogenes traf und ihm einen Wunsch erfüllen wollte,
soll Diogenes geantwortet haben:
„Geh mir aus der Sonne!“
Platon (427–347
v. Chr.)
der Vergeistigte
Es gibt die Sichtweise, dass die ganze Philosophiegeschichte
nur aus Fußnoten zu Platon bestehe. Er ist der erste
antike Philosoph von dem ein umfangreiches Werk besteht – und
dieses wurde enorm wirkmächtig.
Platon war Schüler von Sokrates. Er lässt dann
auch meist in seinen Dialogen Sokrates als Wortführer
auftreten.
Platon gilt als Vater des philosophischen Idealismus, welcher
besagt, dass das Geistige den Vorrang hat – alles
Körperliche ist sekundär. Eine Lehre, die dann,
vor allem vermittelt über Augustinus, für das
Christentum und somit für unseren Kulturraum ausschlaggebend
wird. Platon ist von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt.
Im berühmten ,Höhlengleichnis’ beschreibt
er den Aufstieg des Philosophen zum Lichte der Erkenntnis.
Um zum Wahren, Guten und Schönen zu gelangen, gilt
es das Körperliche um des Geistigen willen zu verlassen.
Nur die Idee ist ewig, alles Materielle ist vergänglich.
Es gibt eine Differenz zwischen Schein und Sein, zwischen
Wahrnehmen und Wahrheit. Das Sinnliche täuscht uns
allzu oft.
In seiner politischen Philosophie tritt er – gegen
die Demokratie – für einen Staat ein, der an
der Spitze Philosophenherrscher vorsieht. Die Wahrheit
richtet sich nicht nach Mehrheitsverhältnissen, einzig
der Weise solle den Staat lenken. Platons Versuch, jenen
Staat beim Tyrannen von Syrakus zu etablieren, ist aber
gescheitert.
Aristoteles (384–322
v. Chr.)
der Mann der Mitte
Der Platonschüler schlägt eine realistischere
und weniger idealistische Sicht der Dinge vor.
Er gilt als Vater der Logik, verfasst naturwissenschaftlich-physikalische
Schriften (er dürfte auch – neben seiner umfangreichen
Bibliothek – eine große Pflanzen- und Tiersammlung
besessen haben), beschäftigt sich mit Ethik und Politik
und denkt auch über die Poetik nach.
Er sieht im Glück (griechisch: ‚eudaimonia’)
das Ziel menschlichen Handelns und Seins. Der Königsweg
dahin führt für Aristoteles über das kontemplative,
das beschauliche Leben.
Bekannt ist Aristoteles auch für seine Lehre von der
goldenen Mitte. Das Gute liegt dabei immer in der Mitte
zwischen den Extremen. Weder Wollust noch Stumpfheit, nein,
die Mäßigung sieht er als Ideal und Tugend.
Epikur (341–271
v. Chr.)
Trost durch Philosophie
Epikur sieht in der Philosophie einen zutiefst praktischen
Nutzen. Er beschwört eine Lebenskunst, die ihre Aktualität
nie einbüßt.
Ziel ist es körperlich frei von Schmerz zu sein, und
dann sollte man die ,Ataraxie’, die Seelenruhe,
die Unerschütterlichkeit des Gemüts erlangen.
Dieser Begriff findet in der stoischen Ruhe seinen Niederschlag.
Daher zog er sich mit Anhängern zurück, lebte
außerhalb Athens und philosophierte im berühmten
Garten des Epikur. Er lebte autark und bescheiden mit seinen
Freunden. Denn schließlich ist es wichtiger mit wem
man isst, als was man isst! Die geistige Lust, das Philosophieren
und Gespräche mit FreundInnen sind bedeutender als
materieller Besitz.
Aurelius
Augustinus (354–430
n. Chr.)
unruhig ist unser Herz ...
Im beginnenden Mittelalter geht es vor allem um die
Gotteserkenntnis. Die Philosophie wird als Hilfswissenschaft
gesehen.
Augustinus gibt in seinen ,Confessiones’ tiefe
Einblicke in sein ehemals liederliches Leben. Damals
dachte er noch: ,Gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit,
aber bitte nicht sofort!’ Er wandelt sich schließlich,
wird dann Bischof und gilt heute als bedeutender
Kirchenvater für die Katholische Kirche. Das
platonische Erbe wird dabei wirksam.
Philosophisch interessant sind seine Gedanken über
die Zeit. Vor der Schöpfung war Ewigkeit, mit
dem Akt der Schöpfung ist auch die Zeit entstanden.
Gott schuf alles – auch die Zeit. So gesehen
kann Augustinus als der Erste gesehen werden, der
Ewigkeit nicht als unendliche Zeitdauer betrachtet.
Für Augustinuns ist Ewigkeit das Außerhalb-von-Zeit-Sein.
Ewigkeit ist das Zeitlose. Diese Dimension existiert
dann einfach nicht mehr. Eine tröstliche Vorstellung.
RenÉ Descartes
(1596–1650)
ich denke, also bin ich
Descartes gilt als Vater der modernen Philosophie und
des neuzeitlichen Rationalismus – ja des wissenschaftlichen
Denkens überhaupt.
Der Urtugend alles Philosophischen getreu zweifelt
Descartes in seinem berühmten Gedankenexperiment
alles an. Es könnte sogar sein, dass uns ein ‚deus
malignus’, ein böser Gott alles vorgaukelt,
ein böses Spiel mit uns spielt. Die Sinne sind
ohnehin leicht zu täuschen, vielleicht ist alles
nur Lug und Trug. Was bleibt da noch übrig?
Über eines kann ich nicht getäuscht werden,
dass ich jemand bin, der getäuscht werden kann.
Denn dass ich getäuscht werden kann, muss ich
mich als einen zu Täuschenden voraussetzen. Dieser
Gedanke ist nicht hintergehbar / bezweifelbar. Der
Akt des Zweifelns ist die einzig unbezweifelbare Gewissheit.
Ich zweifle, also bin ich – ich kann getäuscht
werden, also bin ich – ich weiß zwar nichts,
aber ich weiß, dass ich nichts weiß – oder:
Ich denke, also bin ich. Hier ist man beim berühmten
,cogito ergo sum’ angelangt.
Es bleibt das Ich, das sich als Denkendes weiß.
Descartes steht damit auch für das Prinzip der
Subjektivität.
Das cartesische Denken ist von einem grundlegenden
Dualismus geprägt. Es gibt für Descartes
zwei Substanzen / Dimensionen: res extensa (die ausgedehnte
Sache / die Materie) und res cogitans (die denkende
Sache).
Seither gibt es philosophisch verbürgt Körper
und Geist – Materie und Bewusstsein.
Baruch de Spinoza
(1632–1677)
der freiheitsliebende
Rationalist
Spinoza war ein Zurückgezogener und Verbannter.
Um seine Gedankenfreiheit bewahren zu können,
zog er es vor, optische Linsen zu schleifen, als sich
an einer Universität von der Obrigkeit zensurieren
zu lassen. Seine Maxime war auch: Sei vorsichtig!
Spinoza setzte Gott und Natur gleich. Dies brachte
ihm die Etikettierung ,Pantheist’ (Pantheismus
= Allgottlehre; alles ist Gott) ein – ein Frevel sondergleichen
im 17. Jahrhundert.
Er war auf der Suche nach dem neutralen Standpunkt
schlechthin. Ziel war es für ihn, die Dinge ,sub
specie aeternitatis’ (vom Standpunkt der Ewigkeit
aus) zu betrachten – das ist Philosophie.
Besonders interessant ist es, wenn sich ein Rationalist
mit der Gefühlswelt auseinandersetzt. Dementsprechend
nüchtern und unromantisch ist Spinozas Definition
von Liebe:
„Nämlich Liebe ist nichts anderes als Lust,
verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache
(...).“
Immanuel
Kant (1724–1804)
der ordentliche Aufklärer
Kant ist der Denker der Aufklärung schlechthin.
Er definiert sodann auch Aufklärung als „Ausgang
des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“.
Kant liefert auch den Wahlspruch zur Aufklärung: „Sapere
aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Kant selbst spricht, was die Erkenntnistheorie betrifft,
von einer ,kopernikanischen Wende’. Ihn
beschäftigen die Grenzen der Erkenntnis. Wir prägen
der ,Realität’ unser Bild auf – gleich
einer rosa oder grauen Brille, die wir aufgesetzt haben.
Nicht wie die Wirklichkeit wirklich ist, können
wir erfahren, sondern immer nur wie sie uns aufgrund
unserer ,Erkenntnisorgane’ erscheint – das
ist die Welt für uns.
Er ,postuliert’ weiters die Unsterblichkeit
der Seele, die prinzipielle Freiheit des Menschen und
die Existenz Gottes. Diese Dinge sind streng genommen
nicht beweisbar.
Auf dem Gebiet der Ethik formuliert Kant den ,kategorischen
Imperativ’:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die
du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines
Gesetz werde.“
Dies ist das Ideal von Kant. Ähnlich der ,Goldenen
Regel’ (,Was du nicht willst, dass man
dir tu’ ...’) verlangt der kategorische
Imperativ ein Nachdenken und Überprüfen der
Handlungen. Wir sollen, so fordert dieses lediglich
formale Gesetz, vernünftig handeln und unser Handeln
verallgemeinern können. Wir sollen eben nicht
nach Lust, Glück, Macht oder irgendeinem (äußerlichen)
Nutzen streben. Die Handlung an sich soll gut sein.
Karl Marx (1818–1883)
der praktische Materialist,
der letztlich doch Theoretiker blieb
Wie bei keinem anderen schwingt beim Namen Marx das
Politische mit.
Er war Materialist in dem Sinne, dass er meinte, die
gesellschaftlichen Bedingungen und Umstände bringen
alles andere (Kultur, Religion ...) hervor. Die Geschichte
ist durch Klassenkämpfe gekennzeichnet. Alles
entwickelt sich durch die Kraft und die Spannungen
von Gegensätzen, d.h. dialektisch. Und die Spannungen
zwischen Proletariat und Bourgeoisie müssten endlich
in eine klassenlose Gesellschaft münden.
Er entlarvte die Religion als Opium des Volks und setzte
auf den gesellschaftlichen Wandel. Marx selbst blieb
aber Theoretiker und Intellektueller: Sein Hauptwerk
trägt den Titel ,Das Kapital’ und
nicht ,Die Revolution’.
SÖren Kierkegaard
(1813–1855)
die einzelne Existenz
Kierkegaard ist der Vater der Existenzphilosophie im
20. Jahrhundert. Wie kein anderer rückt er den
Einzelnen ins Zentrum. Seine Werke sind literarisch,
philosophisch und polemisch.
Der Mensch ist immer vor die Wahl gestellt. So heißt
auch ein Hauptwerk ,Entweder - Oder’. Angst
und Verzweiflung sind ständige Begleiter des reflektierenden
Menschen. Wir müssen uns aber schließlich
entscheiden: zwischen einem lustvoll-ästhetischen
Leben, einer ethischen Existenz, oder wir wagen letztlich
den Sprung in den Glauben. Letzteres, das religiöse
Stadium, ist für Kierkegaard die höchste
Existenzform.
Am Ende seines rastlosen und kurzen Lebens wird Kierkegaard
dann vor allem gegen die ihm zu laue und halbherzige
dänische Kirche kämpfen.
Er analysiert zutiefst menschliche Grundbefindlichkeiten.
Unser Selbst, so Kierkegaard „ist ein Verhältnis,
das sich zu sich selbst verhält“. Wir sind
demnach nie ganz bei uns, wir sind keine Einheit, wir
sind also ständig auf der Suche. Und kein Therapeut
bzw. keine Therapeutin kann uns zu uns selbst bringen.
Das ist die menschliche Bedingung schlechthin.
Arthur
Schopenhauer (1788–1860)
ein Pessimist mit
heilender Wirkung
Schopenhauer ist der Pessimist und Misanthrop in der
Philosophie. Für ihn ist das Leben ein Pensum,
das es abzuarbeiten gilt. An der Universität ist
er dem Rivalen Hegel unterlegen. Mit den Frauen klappte
es auch nicht. Auf seinen Europareisen sah er das Leid
vieler Menschen. Schopenhauer beschäftigte sich
mit indischen und buddhistischen Texten und fand darin
eine ähnliche Grundhaltung.: Leben ist Leiden.
Am Ende seines Lebens wurde Schopenhauer aber dennoch
berühmt.
Er meint, die Welt sei vom ,Willen’ getrieben.
Dieser Wille ist eine Art Lebenstrieb, ein Urantrieb,
der die ganze Welt am Werden hält – also
nicht der persönliche Wille jedes Einzelnen. Hier
nimmt er Freud vorweg, der ebenso das Irrationale,
Triebhafte ins Zentrum rückt. In Wahrheit sind
wir nicht so vernünftig und frei wie wir meinen.
Der Wille, der Trieb, der Leib bestimmen, wo es lang
geht. Ganz besonders gilt dies bei der Liebe zwischen
Frau und Mann. Schopenhauer spricht von der ,Metaphysik
der Geschlechtsliebe’. Er entzaubert die romantische
Liebe und liegt hiermit ganz nahe an den Theorien und
Fakten der modernen Evolutionsbiologie, welche den
Menschen ebenso als ein Auf-Überleben-programmiertes-Wesen
sieht, das von diversen Hormonen gesteuert wird.
Der Wille ist das Gesetz des Daseins schlechthin. Und
diesen Willen gilt es zu verneinen. Hier ist Schopenhauer
nahe an der indischen bzw. buddhistischen Vorstellung
vom Nirvana.
Kunst kann als Beruhigungsmittel dienen und das Leben
erträglicher machen. Schopenhauer selbst spielte
mit Begeisterung Flöte.
Zum Problem der Freiheit: Schopenhauer meint, dass
sich immer nur das stärkste Motiv durchsetzt,
ohne dass wir im Innersten die Willensfreiheit besitzen.
Den Menschen sieht Schopenhauer durch den Egoismus
bestimmt. Die andere Seite der Medaille ist aber das
Mitleid, das unsere Handlungen mitbestimmt.
Hoffentlich verbringen wir unser Leben schmerzfrei
und frei von Langeweile. Und ein Tipp speziell für
die Jugend: nicht zu viel vom Leben erwarten.
Mit dieser Empfehlung liegt Schopenhauer dann auch
wieder im Trend. Das negative Denken kann oft heilsam
sein. Wer wenig erwartet vom Leben, kann davon nur
positiv überrascht werden.
Friedrich Nietzsche
(1844–1900)
der Umwerter mit dem sanften
Blick
An Nietzsche scheiden sich wahrlich die Geister. Aber die
Stichwörter Frauenfeindlichkeit, Nationalist, Antichrist
halten so bei näherem Hinsehen nicht. Sein aphoristischer,
prägnanter Stil birgt viele Deutungsmöglichkeiten.
Schon mit 23 Jahren erhält er eine Professur in Basel.
Bald legt er diese wegen Krankheit nieder und wird zum
Wanderer und Suchenden.
In vielen Bildern beschwört er den Übermenschen.
Weniger als Rassenideologe, mehr als geistige Herausforderung,
die Nichtigkeit der Welt ohne Gott zu bestehen, die Endlichkeit
des Daseins zu akzeptieren. Nietzsche gilt als Lebensphilosoph:
Leben will immer nur leben, dessen müssen wir uns
bewusst sein. Gläubige, Priester und Idealisten gelten
ihm als Giftmischer, die an der Realität des Lebens
vorbeischrammen.
Die Kunst brauchen wir, um nicht an der grausamen Realität
zugrunde zu gehen. Wir lieben den Schein, weil wir das
Leben in seiner Endlichkeit, Zufälligkeit und Erbärmlichkeit
nicht aushielten. Wir brauchen Illusionen und den Selbstbetrug.
Er spricht weiters von der ewigen Wiederkehr des Gleichen.
Gegen die Fortschrittsparolen im 19. Jahrhundert setzt
Nietzsche das Bild des Kreises. Wendet man jene Metapher
auf das Ethische an, würde dies bedeuten: Jeder solle
seine Handlungen bejahen, zu ihnen stehen – die Handlungen
so gestalten, dass man, käme die gleiche Situation
wieder, genauso handeln würde.
Nietzsche kritisierte stark das Christentum und die christliche
Moral. Nach dem ,Gott ist tot!’ gilt es die
Sinnlosigkeit des Daseins zu akzeptieren. Im Gegenzug verherrlichte
Nietzsche das Leben und plädierte für die Selbststeigerung:
Gott ist tot – es lebe der Mensch.
Lou
Andreas-Salomé (1861–1937)
vom Streben nach Freiheit, Einheit und
,Zwei-heit’
Die aus St. Petersburg in Russland stammende Intellektuelle
zeichnet ein zutiefst offenes Denken aus. Sie hinterfragt sehr
früh Gott und gesellschaftliche Konventionen. Die 19-jährige
Lou Salomé studiert in Zürich Theologie, Philosophie
und Kunstgeschichte. Damals gab es außer der Schweiz
kein anderes deutschsprachiges Land, das Frauen uneingeschränkt
den Hochschulzugang gewährte. Aufgrund einer schweren
Lungenerkrankung bricht sie das Studium ab. Aus gesundheitlichen
Gründen reist sie nach Italien, wo sie den Kreis um die
Schriftstellerin Malwida von Meysenbug kennenlernt – ebenso
eine selbstständige, unabhängige intellektuelle Frau.
Hier trifft Lou Salomé auf Paul Rée und Friedrich
Nietzsche. Mit beiden Männern verbindet sie große
(intellektuelle) Freundschaft und Seelenverwandtschaft; es
gab sogar den Plan des Zusammenziehens in eine Wohngemeinschaft.
Den Heiratsantrag von Nietzsche lehnt sie ab. Offenbar machte
ihre neugierige, intellektuelle und nach Unabhängigkeit
strebende Art Lou Salomé sowohl zur ,Femme fatale’ als
auch zur Muse für viele ihrer Zeitgenossen.
Lou Salomé reist viel. Sie wird eine freie Schriftstellerin
und schreibt für Zeitungen und Fachzeitschriften. Es erscheinen
Romane, Erzählungen und Essays. Sie veröffentlicht
eine Studie zu Nietzsches Philosophie.
Freiheit steht in ihrem unkonventionellen Leben an oberster
Stelle. Sie heiratet zwar, doch unterhält sie verschiedene
Liebesbeziehungen – z. B. mit Rainer Maria Rilke. Sie
verfasst die philosophische Abhandlung ,Die Erotik’ (1910),
worin sie das Verhältnis von Frau und Mann durchdenkt.
Sie beschäftigt sich intensiv mit den Unterschieden und
Beziehungsmöglichkeiten von Frau und Mann. Sie ist überzeugt
von der Gleichwertigkeit der Geschlechter, sieht jedoch unterschiedliche
Verhaltensmuster und Zugänge zum Leben. Die seelische
Verfasstheit der Geschlechter ist unterschiedlich. Und Liebe
oszilliert zwischen unerfüllter Sehnsucht und tödlicher
(die Liebe erstickende) Treue. Zwei werden eins, wenn sie zwei
bleiben ...
Das psychologische Interessse führt sie nach Wien zu Sigmund
Freud, mit dem sie in regem Briefkontakt bleibt. Sie arbeitet
(als eine der ersten Frauen) als Psychoanalytikerin; ihr großes
Interesse gilt dem Narzissmus.
Günther Anders (1902–1992)
ein hellsichtiger Mahner im 20. Jahrhundert
Anders ist kein Philosoph im herkömmlichen Sinne. Er war
Journalist, Literat, engagierter Zeitgenosse und Mitbegründer
der Anti-Atom-Bewegung.
In seinem Hauptwerk ,Die Antiquiertheit des Menschen’ problematisiert
er die fortschreitende Technisierung der Welt und die Kurzsichtigkeit
des Menschen. Die Diskrepanz zwischen dem Herstellen und dem
Vorstellen wird immer eklatanter. Wir entfremden uns immer
mehr von unseren Erzeugnissen – die Folgen unseres Tuns
sind für uns nicht mehr einschätzbar. ,Die
Geister die wir riefen ...’.
Ja letztlich beherrschen uns die Geräte. Anders überzeichnet
bewusst in seinen Darstellungen.
Er kritisiert auch unsere schöne bunte Fernsehwelt. Die
Welt wird zum Phantom, die Grenzen zwischen Realität und
Schein verschwimmen zusehends. Das Fernsehen kann die Wirklichkeit
nie einfangen, vielmehr entsteht eine sonderbare Umkehrung.
Die Welt muss sich nach dem Fernsehen richten. Alle Bilder
sind aufbereitet und bar jeder Wirklichkeit.
Da Anders am Beginn all jener Entwicklungen gestanden ist,
hat er einen scharfen und untrüglichen Blick auf die Dinge.
Uns fehlt heute oftmals dieser nötige, distanzierte Blick.
Speziell die atomare Bedrohung hat Anders zutiefst beeindruckt.
Seit dem 6. August 1945 sind wir auf negative Art und Weise
allmächtig geworden. Ein Menschheitstraum ist (perverserweise)
Realität geworden. Wir können uns selbst auslöschen.
Das hat es in der Geschichte der Menschheit zuvor noch nicht
gegeben. Und daher sollten wir uns schon jetzt betrauern, weil
es danach niemanden mehr geben wird, der uns betrauern kann.
Hannah
Arendt (1906–1975)
über das Mensch-Sein,
die Politik und die Banalität des
Bösen
Die in Deutschland geborene, assimilierte Jüdin beginnt
sich schon bald mit Philosophie zu beschäftigen. In
Marburg studiert sie Philosophie, Theologie und Griechisch
und begegnet
ihrer ersten großen Liebe: Martin Heidegger – charismatischer,
verheirateter Philosophieprofessor. Die Studentin Hannah
Arendt ist fasziniert vom leidenschaftlichen Denken Heideggers.
Später
heiratet sie Günther Anders. Sie flieht vor dem NS-Regime
nach Paris und geht dann mit ihrem zweiten Ehemann in die
Vereinigten Staaten von Amerika.
Sie arbeitet für Zeitungen, wird Lektorin, Geschäftsführerin
einer jüdischen Organisation, hält Vorträge
und erhält Professuren in Princeton, Chicago, New York.
1953 war sie die erste Frau, die in Princeton Vorlesungen hielt.
Sie wurde dort auch die erste Professorin, was in der Presse
für Aufsehen sorgte. Arendt wollte sich aber nicht gesondert
mit der Frauenfrage beschäftigen. Sie war politische Philosophin
und beschäftigte sich vielmehr mit der Judenfrage und
den Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
1951 erschien ihr Werk ,Origins of Totalitarism’ (dt.:
,Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft’,
1955). Sie analysiert darin Antisemitismus, Imperialismus,
Faschismus
und Stalinismus als geschichtlich neue Formen politischer
Unterdrückung.
Sehr umstritten ist ihre These von der strukturellen Gleichheit
von Faschismus und Stalinismus. Im Nationalsozialismus als
auch im Stalinismus kommt es zu totaler Herrschaft; beides
sind Massenbewegungen. Darf man die beiden Systeme vergleichen?
Irritationen brachte auch ihr Buch ,Eichmann in Jerusalem’ (1963;
dt. 1965). Sie war Berichterstatterin für eine Zeitung
beim Eichmann-Prozess in Jerusalem. Der Nationalsozialist
Eichmann war der Organisator der Judentransporte in die Vernichtungslager.
Eichmann wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Für
Arendt vermittelte Eichmann eher den Bürokraten, der
seine Pflicht erfüllte, um vielleicht dann Karriere
zu machen, als den mit Naziideologie erfüllten Teufel.
Arendt sprach von der ‚Banalität des Bösen’ im
Zusammenhang mit Eichmann. In totalen Herrschaften können
offenbar ‚normale’ Menschen
die größten Verbrechen begehen ...
Simone de Beauvoir
(1908–1986)
die freie Frau
Sie wächst behütet in großbürgerlichen
Verhältnissen in Paris auf. Ihr stehen somit alle
Bildungsmöglichkeiten
offen. Sie schließt ihr Philosophiestudium 1929 ab
und arbeitet einige Jahre als Philosophielehrerin. Danach
ist sie
Schriftstellerin. Zu Studienzeiten lernt sie Jean-Paul
Sartre kennen, mit dem sie zeitlebens liiert ist. Dem existenzialistischen
Denken folgend wird eine ,freie’ Form des Zusammenlebens
gewählt. Die Lebensgefährtin von Sartre wird
selbst zu einer wichtigen Repräsentantin des französischen
Existenzialismus.
Beauvoir bricht früh mit den gutbürgerlichen und
traditionellen Werten: Glaube, Ehe, Familie, Mutterschaft samt
entsprechendem Frauenbild werden hinterfragt bzw. abgelehnt.
Der Freiheitsbegriff ist für sie zentral. Und Philosophie
soll und muss dabei immer mit Lebenserfahrung verbunden sein.
Der Mensch muss sich selbst entwerfen, jeden Tag neu.
In ihrem Werk ,Le deuxième sexe’ (1949,
dt. ,Das andere Geschlecht’ 1951) thematisiert
sie das Verhältnis von Frau und Mann bzw. die Unterdrückung
der Frau. Frauen werden immer nur relativ gesehen – das
Absolute ist immer der Mann. Der Mann ist das Subjekt,
die Frau nur das Andere. Diese ,Schieflage’ gilt
es aufzuheben. Die traditionellen Muster dürfen nicht
hingenommen werden. Denn: ,Man kommt nicht als Frau
zur Welt, man wird es.’
Paradoxerweise wird das Werk von Beauvoir meist im Zusammenhang
mit Sartre und Sartres Denken genannt; Sartres Eigenständigkeit
wird nicht angezweifelt. Beauvoir widmet ihre letzten Jahre
dem Werk und dem Andenken an Sartre. In gewisser Weise
scheint sich an ihr zu erfüllen, was sie kritisierte:
Beauvoir als das ,Andere’ zum Subjekt Sartre.
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